14.11.2016: Kartoffel lagern bei Zimmertemperatur: keine gute Idee oder doch gar nicht so schlimm?
Leider werden heutzutage keine großen Mengen mehr an Kartoffeln gegessen: Die Haushalte sind kleiner geworden und die Konkurrenz von Nudeln, Reis & Co. Ist schon gewaltig. Daher sind viele Haushalte gezwungen, selbst klein abgepackte Mengen wie 2,5 oder 5 kg mal ein paar Wochen aufzuheben.
Den berühmten kühlen Sandsteinkeller gibt es auch nicht mehr – also muss eine dunkle Ecke im Abstellraum herhalten. Dort herrschen aber die gleichen mollig warmen Temperaturen wie im Wohnzimmer … und das mag die Knolle eigentlich nicht so gerne! Wie lange das trotzdem gut gehen kann, zeigt euch unser neuester Test:
Denn wieder mal steht ein ultimativer Kartoffel-Contest an. Und erneut nimmt es die hart gesottene Rhöner Kartoffel mit der starken Konkurrenz aus ganz Deutschland auf, es tritt an:
Kandidat Nummer 1: die Sorte Milva aus Niedersachsen: mit ihrer zarten und pik-sauberen Schale sieht sie fast aus wie schon geschält. Preis: 0,30 Cent pro Kilo im Supermarkt.
Kandidat Nummer 2: die Sorte Belana aus Nordhessen: aal-glatte Schale aber ein wenig staubig sind sie schon noch. Preis: 0,40 Cent pro Kilo im Supermarkt.
Kandidat Nummer 3: die Sorte Granola aus der Rhön: kräftige, rauhe Schale – und lange nicht so perfekt rund wie die anderen. Preis: 0,60 Cent pro Kilo beim Direkt-Vermarkter.
OK, ihr könnt euch sicher schon denken, wer am Ende die Nase vorne hat: die Rhöner Kartoffeln natürlich. Schaut euch die Bilder an, die vom Test-Beginn am 14.10. bis Test-Ende am 10.11.2016 gemacht wurden. Kandidat 2 aus Nordhessen schlägt sich noch ganz wacker, fängt aber auch das Keimen an. Und Kandidat 1? Der ist spätestens nach 3 Wochen ein Fall für die Biotonne, denn die Oberfläche ist schon spürbar weich geworden und es mehren sich die braunen Stellen. Beim Aufschneiden der Knollen tritt Wasser hervor, nach dem Kochvorgang taugen die höchstens noch zum Kartoffelbrei ….
Die Rhöner Kartoffel ist zwar rein optisch nicht die ansehnlichste, aber bei der Haltbarkeit (4 Wochen bei 19 Grad) unschlagbar: keine Keime, keine Verfärbung, kein Verlust an Festigkeit – egal ob roh oder gekocht.
OK, dieses Ergebnis war vorhersehbar – ihr könnt das aber gerne mal nachstellen mit der Billigware aus dem Supermarkt.Das eigentlich verwunderliche an diesem Ergebnis ist, dass die Kandidaten 1 und 2 aus dem Supermarkt beide die Kennzeichnung hatten „nach der Ernte behandelt“, d.h. der Landwirt, der sie angebaut hat oder der Großhändler, der sie zwischengelagert und verpackt hat, hat diese Knollen mit einem chemischen Keim-Hemmungsmittel eigenebelt, um das Auskeimen zu verhindern, denn ein starkes Keimen macht die Kartoffel bekanntlich weich und wässrig.
Wie bitte? Die Erdäpfel aus der Rhön sind vollkommen unbehandelt und überstehen diesen Lager-Test besser als ihr chemisch aufgepeppten Kollegen aus dem Norden, wie geht das denn?
Nun ja, da gibt es mehrere nachvollziehbare Erklärungen. Ich will mal mit dem wichtigsten Unterschied anfangen:
TATATSACHE Nummer 1: Die Rhöner Knolle ist traditionell sehr lange im Boden: von Ende April bis Mitte Oktober reiften diese im Jahr 2016 unter der Erde, das sind ca. 180 Tage. Der Sandboden in Niedersachsen bietet viel bessere Wachstums-Bedingungen, so dass dort die Zeit von Anfang Mai bis Anfang August vollkommen ausreicht, das sind nur 120 Tage. Zur Info: Anfang August wird die Kartoffel-Pflanze in diesen Anbaugebieten tot-gespritzt, d.h. das Wachstum stellt sich ein und 3 Wochen später wird gerodet.
UNSER FAZIT: Jeder Tag länger im Boden (wohlbemerkt: bei noch grüner Pflanze) macht die Kartoffeln von Natur aus haltbarer. Es gibt nämlich auch natürliche Keimhemmer, die die Pflanze in die Knollen einlagert, vor allem gegen Ende der Wachstumsphase im August/September. Zu dieser Jahreszeit gibt es in Niedersachsen aber keine grünen Kartoffelpflanzen mehr sondern nur noch braune ….
TATSACHE Nummer 2: Die Sortenauswahl ist natürlich auch entscheidend. Die Granola ist bekanntlich eine Sorte, die sehr keim-ruhig ist und wird oft erst gegen Ende der Lagersaison im Mai/Juni an unsere Kunden verkauft, da sie dann auch erst ihren vollen Geschmack entfaltet. Weniger haltbare Sorten werden dann halt früher abverkauft.
UNSER FAZIT: Nicht jede Sorte eignet sich für eine natürliche Lagerung, daher muss man sich in der Rhön auf die Sorten konzentrieren, deren Anbau und Lagerung Sinn macht und zudem wirtschaftlich ist. Wenn ihr manche super-modere Schnick-Schnack-Kartoffel-Sorten bei uns NICHT antrefft, dann hat das auch seinen Grund …!
TATSACHE Nummer 3: Die chemischen Hilfsmittel sind halt doch nicht alles. Deren Wirksamkeit lässt nach und "schnell mal einen besseren Wirkstoff erfinden" oder "einfach die Dosis zu erhöhen" ist nicht ganz so einfach. Denn über all dem Einsatz von Chemie in der Landwirtschaft steht immer die Frage: sind diese Mittel in irgendeiner Form direkt (Verzehr von behandelten Kartoffeln) oder indirekt (Grundwasser Verschmutzung) gefährlich für den Menschen?
UNSER FAZIT: Wenn man ohne Nachteile (siehe Bildergalerie) auf chemisch behandelte Kartoffeln verzichten kann, dann sollte man es auch tun!
Bis bald wieder, beim nächsten Kartoffel Contest !